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oder

Warum wir die Mauer brauchten  :-((

 

aus POSEIDON 8/1963

In den letzten Jahren hat sich der Tauchsport in der DDR sehr schnell entwickelt. Die Zahl der Menschen, die an dieser schönen Sportart Gefallen finden, ist ständig im Steigen begriffen. Im Gegensatz dazu ist jedoch die materiell-technische Basis hinter dieser Entwicklung zurückgeblieben. Das ist auch der Grund dafür, daß in den Gruppen der GST (Gesellschaft für Spoort und Technik) und in den Interessengemeinschaften sowie in unserer Zeitschrift die Probleme der nicht ausreichenden Erzeugung und Belieferung mit qualitativ hochwertigem, aber für eine wirtschaftliche Fertigung konstruierten Tauchzubehöre schon oft Gegenstand der Diskussion waren.
Diese negative Seite der Tauchsport-Entwicklung ließ jedoch der Eigeninitiative viel Raum, und es gibt eine Reihe von fleißigen "Konstrukteuren", die für sich selbst gute Kameras, Lungenautomaten, Tauchanzüge usw. herstellten. Bedauerlich ist, daß viele dieser Initiatoren die Bemühungen um die Verbesserung der Versorgung mit Tauchzubehör aufgaben, weil keine zentrale Unterstützung und Lenkung erreicht werden konnte.
Eine entscheidende Rolle wird auch in diesen Fragen dem Zentralen Tauchsportklub der GST zukommen.

Im folgenden möchte ich einen Fall schildern, der symptomatisch für die Schwierigkeiten ist, auf die man stößt, wenn Tauchsportartikel industriell hergestellt werden sollen.

sw63a.jpg (33211 Byte)Anfang des Sommers 1960 trafen sich am Stechlinsee der alte Tauchsporthase und gute Mechaniker Gerhard Steinert, niedergedrückt von vielen bösen Erfahrungen, und der unterzeichnende Neuling, voll von Ideen und Optimismus, daß bei richtiger Organisation alles klappt. Beide ergänzten sich in ihren Anschauungen und schmiedeten Pläne. Man begann zu konstruieren, Material zu beschaffen ind zu bauen. Das Ergebnis war der Prototyp SW 63, ein einstufiger Lungenautomat von robuster Bauart, kleinen Abmessungen und verblüffend guter Leistung, der im Spätsommer vorlag.

Dem ersten Muster folgte eine kleine Serie von einigen Reglern, die im Sommer 1961 und 1962 in Tauchtiefen bis 35m fleißig getestet wurden. Nun begann der Leidensweg, denn der leistungsfähige Regler SW 63 sollte, da er den bisherigen Stand der Technik in der DDR übertraf, industriell gefertigt werden. Grund genug, einen Verbesserungsvorschlag (VV) einzureichen, um die notwendige Unterstützung zu erhalten.


Der VV beinhaltete u. a. folgendes:

Die stürmische Entwicklung des Tauchsports, sowohl in den westeuropäischen Ländern als auch in der SU und den anderen sozialistischen Ländern, findet auch bei den tauchsportbegeisterten Menschen in unserer Republik ihren Niederschlag. Es gilt, diesen schönen Sport durch den Bau von Tauchsportzubehör stärker zu fördern.
Durch das Fehlen geeigneter und preisgünstiger industriell gefertigter Geräte beträgt nach unseren Einschätzungen der Anteil des Eigenbaues an den im Einsatz befindlichen Geräten weit über 60%.
Die Beschaffung von Einzelteilen, wie Atemschläuchen, Mundstücken, Ventilen usw., stößt auf große Schwierigkeiten, weil der VEB Medi Leipzig den Verkauf aus Sicherheitsgründen ablehnt. Die Folgen sind "Eigenkonstruktionen", die mechanisch und konstruktiv oft so primitiv sind, daß sie lebensgefährliche Taucherunfälle zur Folge haben können.
Es wurde vorgeschlagen, ein billiges und narrensicheres Sporttauchgerät zu bauen, das aus drei Grundelementen bestehen sollte:

1. Lungenautomat SW 63,
2. zwei 5-1- bzw. ein oder zwei 7-1-Stahlflaschen mit einer Ventilreserveschaltung,
3. Tragegestell aus Rohrbügel.

Der SW 63 ist ein leistungsstarker leichter Einstufen-Regler kleiner Abmessung. Zu bemerken wäre noch, daß mit nach diesen Grundprinzipien konstruierten Reglern in Italien und Frankreich Tauchtiefen von 60m erreicht werden.
Für die serienmäßige Herstellung besteht die Möglichkeit, auf den Einsatz von Buntmetall zu verzichten und mit V-2-A-Stahl oder Einbrennlacken zur Oberflächenveredlung zu arbeiten.

Interessant ist die Gegenüberstellung einiger technischer Daten:

  Regler 713 Regler SW 63
Gewicht: 3600 g 950 g
Atemwiderstand bei einem Durchlaß von 30 l/min: ? mm WS 48 mm WS
Zugelassene Tauchtiefe: 15 m 20 m
bei größeren Tiefen: Atemwiderstand steigt Atemwiderstand sinkt
Ausnutzung der Atemluft: Rest etwa 20 Atü Rest maximal 4 Atü

Auf Grund des mechanisch robusten und unkomplizierten Aufbaues des Reglers SW 63 können die Herstellungs- und Materialkosten gegenüber dem PTG 713 erheblich gesenkt werden.

Soweit der Inhalt des 1960 eingereichten VV.


Jetzt begann der Vorgang zu wachsen, wie es in der Sprache der Bürokratie heißt. Die chronologische Aufrechnung ergibt bis jetzt 72 Titel. Am objektivsten war noch die Arbeit des DAMG und des DAMW (Dt. Amt für Meßwesen und Warenprüfung).
Die größte Kraft, den "Unberufenen" zu beweisen, wie nichtsnutzig ihre Gedanken und Bemühungen waren, entwickelte jedoch der VEB Medizintechnik Leipzig (oder die "Arbeitsgruppe Tauchgeräte"?), der, man verzeihe diese Offenheit, seit Jahren wohl keine fremde Idee oder Initiative duldet.
Vielleicht hätten wir schon seit Jahren eine größere Anzahl guter Tauchgeräte exportieren können. Der Regler des PTG 713 hat uns, so glauben wir,
davor "bewahrt". Der Volkswirtschaft entstand Schaden, und anstatt zu exportieren, mußten wir importieren, um z. B. für den Arbeitsschutz und auch für andere Dienststellen leistungsfähigere Geräte zur Verfügung zu haben. Für Arbeitsschutzzwecke gab es am SW 63 sehr viel Interesse bei der Staatlichen Plankommission und dem Volkswirtschaftsrat. Eine Verwendung erfolgte jedoch nicht.
Was ergaben nun die Gutachten, die u. a. auf Grund von praktischen Versuchen durch Armee und Feuerwehr und durch Labortest ermittelt wurden:

Gutachten des DAMG vom 16. 3. 1961 (auszugsweise)

Atemwiderstand geringer als bei den bisher bekannten Konstruktionen.
Da durch dieses Gerät eine empfindliche Lücke auf dem Gebiet der Sporttauchgeräte bis zu 20 m Tauchtiefe geschlössen wird, ist von seiten des DAMG gegen die Aufnahme der Nullserie nichts einzuwenden.

Gutachten des DAMW vom 27. 6. 1961 (auszugsweise)

Das Gerät wurde bis zu einer Tauchtiefe von 20m in allen Schwimmlagen getestet. Es ergab sich subjektiv, daß sich der Regler SW 63 gut atmen läßt. Um objektive Angaben zu erhalten, wurden die Meßergebnisse des DAMG angefordert (siehe Meßwertkurven). Aus den Meßwerten ist zu ersehen, daß der Strömungswiderstand bei 30 l/min etwa 48mm WS beträgt und bei geringerer, auch höherer Strömungsgeschwindigkeit - bedingt durch die Injektordüse - geringer wird. Selbstverständlich ist der ermittelte Wert noch kein Idealwert, denn der liegt bei 10mm WS.*) Doch besteht gegenüber den in der DDR hergestellten Reglern eine Verbesserung. Abschließend kann aber gesagt werden, daß der Regler einwandfrei gearbeitet hat und die Tauchtests positiv abgelaufen sind.

sw63-kurve.jpg (40884 Byte) *) Wo dieser Wert erreicht wurde, ist uns nicht bekannt. Einer der besten Lugenautomaten, der MISTRAL, hat bei gleicher Leistung einen Strömungswiderstand von 50 mm WS und bei höherer Strömungsgeschwindigkeit steigt der Widerstand leicht an.

LINKS:
Atemwiderstand in Abhängigkeit von der Luftströmung

durchgehende Linie
- Messung bei Flaschendruck 150 kp/cm2 Überdruck
gestrichelte Linie
- Messung bei Flaschendruck 127 kp/cm2 Überdruck

Die Differenz zwischen den beiden Kurven ergibt sich aus dem Unterschied bei ansteigendem und absinkendem Durchsatz während der Prüfung.

In einem Massenbedarfsgüter-Wettbewerb in Berlin erhielt der Regler einen Preis in Höhe von DM 1000,-. Auf der MMM wurde er ausgezeichnet, und seit 1961 besteht für den SW 63 ein Gebrauchsmuster.
Trotz dieser positiven Ergebnisse wurde der Bau des Reglers abgelehnt. VEB Medizintechnik teilte uns im Mai 1962 mit, daß sich ein neuer zweistufiger Regler in der Entwicklung befindet und eine Verwendung unserer Konstruktionsgedanken für dieses Gerät abgelehnt wird.
Zweistufige Automaten sind aber teurer und kompliziert. Sie haben zwar für große Aufgaben immer noch ihre Bedeutung, aber vielleicht wurde hier das Weltniveau falsch verstanden.
Die Entwicklung nur des 2-Stufen-Automaten im VEB Medizintechnik Leipzig bringt keine Lösung des Gesamtproblems. Die Stagnation der Entwicklung in den letzten Jahren hat eine zu große Lücke im Bau von leichten Sporttauchgeräten hinterlassen.
Eine optimale Lösung durch den Bau eines guten einstufigen Reglers sollte zumindest geprüft werden.

zur Großdarstellung Schnitt durch den SW 63

1 Gehäuseunterteil
2 Sekundärhebel
3 Lagerbock (sekundär)
4 Primärhebel
5 Grundplatte
6 Ausatemrohr
7 Gehäuseoberteil
8 Ventil
9 obere Membranscheibe
10 Membrane
11 untere Membranscheibe
12 Spannring
13 Einatemrohr
14 Injektordüse
15 Hauptstück
16 Stößel
17 Ventilverschlußkörper
18 Feder
19 Anschlußmutter
20 Kupfergazesieb
21 Siebschraube
22 Einstellschraube
23 Einstellschraube

24 Lagerhülsen (primär)
25 Hebelachse (primär)
26 Hebelachse (sekundär)
27 Dichteinlage
28 Ausatemöffnungen
29 Dichtung
30 Ventilsitz

Der SW 63, der nicht viele Jahre Vorlauf für Konstruktion, Musterbau und Serie brauchte, hat sich in den letzten Jahren bewährt. Einige Tauchsportgruppen, die eine Anzahl handwerklich gefertigter Regler erhielten, lobten die guten Leistungen und die moderne Formgebung. Die vielen Nachfragen können aber durch Einzelanfertigung nicht befriedigt werden.

Die Bemühungen zur industriellen Fertigung des Reglers werden weiter fortgesetzt. Betriebe, die bereit sind, die Produktion aufzunehmen, werden sich finden. Vielleicht helfen nun staatliche Stellen, die Genehmigung zur Produktion zu bekommen, wobei es wichtig erscheint, in erster Linie komplette Tauchgeräte zu bauen.
Den Bedarf wollen wir über unsere Tauchsportzeitschrift "poseidon" ermitteln.
Der aus MS hergestellte, hochglanzverchromte Regler komplett mit Schläuchen, Mundstück und einigen kleinen Ersatzteilen kostet in Einzelanfertigung etwa DM 250,-. Es ist damit zu rechnen, daß die Serienfertigung einen günstigeren Preis zuläßt.
Wir möchten deshalb alle Interessenten bitten, auf einer Postkarte der Redaktion "poseidon" bis spätestens Ende September d. J. ihren voraussichtlichen Bedarf für die nächsten Jahre mitzuteilen. Anfragen über Einzelheiten sind an den Autor zu richten.

Falls die Produktionsaufnahme durch einen Betrieb nicht in Kürze möglich ist, besteht die Absicht, durch eine sozialistische Arbeitsgemeinschaft diesen hochwertigen Regler in einer Kleinserie zu fertigen. Beispiele für eine derartige Arbeitsweise gibt es beim Bau der Melkus-Rennwagen, die sogar in die SU exportiert werden, oder bei der Herstellung des Prüfgerätes für Radio und Fernsehen "Tobitest".
Hoffen wir aber, daß sich schnell ein Betrieb findet, der den einstufigen Regler SW 63 mit einem modernen Tragegestell und Leichtstahlflaschen mit Ventilreserveschaltung als Sporttauchgerät herausbringt.

Karl-Heinz Werner


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